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Jahresfahrt zur Landesausstellung in den Chiemgau

An einem sonnigen Herbstsamstag erkundete wieder eine geschichtsinteressierte und kundige Reisegruppe die diesjährige Landesausstellung „Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone“. Die Fahrt ging zügig, ein kleiner Stau kurz vor dem Ziel in Rosenheim warf uns eine Viertelstunde zurück. Der Herbst zeigte in Oberbayern schon seine Macht, vom Irschenberg hinunter in den Chiemgau blieb uns wegen Nebels leider die wundervolle Landschaft verhüllt. Erst auf dem Rückweg wurde die ganze Pracht der Alpen sichtbar.

Edle Ritter, bezaubernde Edelfräulein, mächtige Burganlagen, prachtvolle Schlösser, Bilder von Schönheit und Reichtum. Dies alles fällt uns ein, wenn wir an Adel denken. Die Landesausstellung vermittelte der Reisegruppe anhand ausgewählter prachtvoller Exponate anschaulich das vom Adel geprägte politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben. Der Adel besaß Privilegien und besondere Rechte, ihm gehörte der Großteil an Grund und Boden, er wirkte an einflussreichen Stellen in der Politik, hatte wichtige militärische Positionen inne und besetzte höchste kirchliche Ämter. Diese Sonderstellung behielt der Adel über Jahrhunderte. Erst die Verfassung des Freistaats Bayern vom 14. August 1919 bestimmte: „Der bayerische Adel ist aufgehoben“ Seither ist der Adelstitel nur mehr Teil des Namens. Prächtige Rüstungen und Waffen aus der ehemaligen Rüstkammer von Schloß Hohenaschau, mittelalterliche Handschriften und sakrale Kostbarkeiten, bedeutende Tafelbilder und Gemälde, kunstvolle Gold- und Silberschmiedearbeiten, Urkunden, Modelle und kuriose Besonderheiten aus in- und ausländischen Museen sowie von zahlreichen privaten Leihgebern zeigten den Mitreisenden wichtige Aspekte adeligen Lebens vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart.

Um einen Eindruck zu vermitteln, will ich ein paar Beispiele nochmals in Erinnerung rufen: Unter den 300 Exponaten waren z.B. als Leihgabe des Bayer. Nationalmuseums ein gestickter Wappenfries mit sechzig altbayerischen und fränkischen adeligen Wappen aus dem Jahr 1556 zu sehen. Im 16. und 17. Jahrhundert starben viele Familien des bayerischen Adels aus und neue kamen hinzu. Um sich als alter bayerischer Adel von den „Neuen“ abzugrenzen, unterschied man seit 1557 zwischen dem alten, edelmannfreien Adel mit seiner Landstandschaft und der niederen Gerichtsbarkeit in den Hofmarken und den adeligen Familien ohne diese Rechte. Zu bewundern war auch ein Turnierbuch von Herzog Wilhelm IV. Dieses zeigte als Turnierteilnehmer Christoph Graf zu Ortenburg. Ritterturniere, an denen nur die Mitglieder des turnierfähigen Adels teilnehmen durften, verliefen nach strengen Regeln. Der turnierfähige Adel gehörte zur höchsten sozialen Gruppe im Herzogtum Bayern.

 

Am 5. Juni 1416 schlossen sich 25 bayerische Adelige zu einem Ritterbund auf 15 Jahre zusammen. Zweck der Vereinigung war es, „sich zu helfen bei ihren Rechten, Freiheiten, Briefen und Gewohnheiten zu bleiben“. Würde eines dieser alten Rechte „überfahren“, so sollte der Hauptmann mit Männern aus dem Bund versuchen, die gewohnten Zustände wiederherzustellen. Die Namen der Siegler hatten einen guten Klang: Jobst Herr zu Abensberg, Ott Grans, Mathes von Chamer, Hatmer von Laaber der Elter, Caspar Torringer, Ludwig Pinzenauer, Hans Laiminger, Jörg Frauenberger von Hohenburg, Wilhelm Maxlrainer, Ortolf Laiminger, Siegmund Frauenberger, Asen Taufkirchner, Wilhelm Kamerberger, Wilhelm Torringer zu Jettenbach, Jörg Waldecker, Wernher Waldecker, Georg von Wolfstain, Thesarus von Frauenhofen, Hadmar von Laber der Jünger, Caspar von Laber, Lukas Fraunberger, Kaspar Thurner, Ulrich Eisenhofer, Jakob Pitrich von Rechberghausen.

Die auf dem Landtag zu Landshut im November 1508 verabschiedete sog. „Erklärte Landesfreiheit“ schreibt die Gerichtsrechte des Adels in seinen Hofmarken fest, trifft Bestimmungen über deren räumliche Abgrenzungen und regelt die Kompetenzverteilung zwischen Hofmarks-, Land und Viztumsgerichten. Hierbei handelt es sich weniger um eine neue Rechtsbasis – das Hofmarkenwesen war bereits im 14. Jahrhundert entstanden – als vielmehr um eine klärende Bestätigung, die Grundlage aller weiteren diesbezüglichen Regelungen werden sollte. 1557 wurden mit dem 60. Freibrief in der Edelmannsfreiheit die adeligen Gerichtsrechte noch einmal erheblich erweitert. Wesentlicher war für die Position des Adels aber die Bestimmung, dass künftig die Beamten des Landesfürsten nur noch aus den bayerischen Landeskindern ausgewählt und die Ratsstellen am Hof mehrheitlich mit Vertretern des Adels besetzt werden mussten. Zudem sollte in Zukunft der Landesfürst vor der Erbhuldigung durch die Stände die Landesfreiheit bestätigen und die Beamten darauf verpflichten.  

 

Mehr als 150 Jahre nach ihrer Versteigerung wurden Harnische und Waffen aus der umfangreichen Rüstkammer von Schloß Hohenaschau erstmals wieder zusammengeführt. Seine Wehrhaftigkeit war bereits im frühen Mittelalter ein besonderes Kennzeichen des Adels. Eindrucksvoll belegt das ein blanker Feldharnisch mit später eingraviertem Preysingwappen aus der Rüstkammer Hohenaschau. Nach dem Mittagessen in Rosenheim ging es dann zum zweiten Teil der Landesausstellung nach Aschau zur Burg Hohenaschau. Schloß Hohenaschau, Mittelpunkt der Herrschaft Hohenaschau und Sitz bedeutender Adelsfamilien, wie der Freyberg und Preysing sowie repräsentatives Heim der Industriellenfamilie Cramer-Klett, wurde für diese Landesausstellung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die ältesten Räume stammen noch aus der Zeit des Spätmittelalters, die Preysing-Zimmer mit einer exklusiv zusammengestellten Porträtgalerie, die Cramer-Klett-Zimmer sind im Gewand des Jugendstils zu bestaunen. Höhepunkte der Führung waren der Preysing-Saal mit den überlebensgroßen Stuckfiguren der Familie Preysing und der rundum ausgemalte und restaurierte Laubensaal.

Die gesamte historische Ringburg von Schloß Hohenaschau war, da sie sonst ausschließlich im Bundesbesitz ist und u.a. als Ferienwohnheim der Bundesfinanzverwaltung genutzt wird, für die Besucher sehr beeindruckend. Schloß Hohenaschau gehört zu den mächtigsten Burgen am Alpenrand und ist eine der größten und bedeutendsten Höhenburgen Oberbayerns. Die Geschichte von Herrschaft und Schloß Hohenaschau lässt exemplarisch die verschiedenen Ausprägungen von Adel in der Vergangenheit erkennen. Unter den Falkensteinern, Aschauern und Mautnern entstand die Anlage 1165/1170 als mittelalterliche Burg. Unter Pankraz von Freyberg (1508-1565) war Hohenaschau Sitz eines mächtigen Bergwerksherrn, Anhängers der Reformation, eines Bediensteten und schließlich Gegenspielers der Wittelsbacher Herzöge. Fast 250 Jahre, von 1608-1853, gehörten Schloß und Herrschaftsgericht den Herren (ab 1664 Grafen) von Preysing-Hohenaschau, die höchste Ämter am bayerischen Hof ausübten. Schließlich erwarb 1875 der Nürnberger Großindustrielle Theodor Cramer-Klett Schloß und Besitz als würdige Kulisse für seine Erhebung in den erblichen Adelsstand. 1942 erwarb das Deutsche Reich das Schloß. Ein besonderer Genuß erwartete die Mitreisenden im historischen Laubensaal des Schlosses. Die historischen Lauberhütten im Nordflügel der alten Ringburg Hohenaschau wurden von den beiden Malern Joseph Eder und Jakob Carnutsch vermutlich nach detailgetreuen Stadtteilansichten des ba-rocken Rom gestaltet. Eine Vielzahl alter prächtiger römischer Villenanlagen mit großen malerischen Gartenanlagen ließen alle Besucher erstaunen und vermittelten einen großen Eindruck auf das alte Rom.

 

Theodor Cramer-Klett hatte seine Firma durch die Ausrichtung auf den Eisenbahnbau innerhalb kürzester Zeit zu einem der führenden Unternehmen in Bayern gemacht. Doch war es ein Großbauprojekt, das ihm den Erwerb des persönlichen Adelsprädikats einbrachte: 1854 sollte für die Industrieausstellung in München ein Prestigebau in Eisenkonstruktionsbauweise errichtet werden nach dem Londoner Vorbild des Crystal Palace. Für Cramer-Klett war dies technisches Neuland, das er erfolgreich meisterte. Der Glaspalast wurde im Juli 1854 eröffnet. Für diese Leistung erhielt Theodor Cramer-Klett den mit dem persönlichen Adel verbundenen „Kronorden“ als Dank des Königshauses verliehen.

Nachdem die Maschinenbaufirma Cramer-Kletts florierte, erweiterte er seine Tätigkeit auf andere Gebiete und wandte sich mehr und mehr dem Finanzwesen zu. Zwischen 1868 und 1872 gründete Cramer-Klett ein Dutzend Kapitalgesellschaften im Banken- und Versicherungsbereich. 1880 beteiligte er sich an der Gründung der Münchner Rückversicherung. Ein Finanzgeschäft war es auch, das sein Ansehen beim bayerischen Monarchen weiter beförderte. 1866 hatte Cramer-Klett durch seine weitreichenden Kontakte der bayerischen Regierung eine Anleihe von drei Millionen Gulden in Österreich vermittelt. Dafür verlieh ihm König Ludwig II. das Komturkreuz des Verdienstordens vom Heiligen Michael und berief ihn zum lebenslänglichen Reichsrat der Bayerischen Krone. Damit stieg Cramer-Klett in die höchsten Kreise des bayerischen Adels auf.

Eine weitere Standeserhöhung, um die sich der Unternehmer sehr bemüht hatte, folgte 1876. „In Anerkennung der Verdienste, welche er sich um die bayerische Industrie und um die Arbeiterverhältnisse Nürnbergs erworben hat“, erhob König Ludwig II. Theodor von Cramer-Klett in den Freiherrenstand und damit in den erblichen Adel. Als Voraussetzung dafür hatte Cramer-Klett 1875 Schloß und Gut Hohenaschau erworben. Im selben Jahr wurde auch der Sohn und Erbe Theodor jun. geboren.

In der oben zitierten Formulierung zur Erhebung Cramer-Kletts in den Freiherrenstand klingt ein besonderer Aspekt seiner Unternehmerpersönlichkeit an. Cramer-Klett zeigte sich in hohem Maß verantwortlich für die Verbesserung der Lebensumstände seiner Arbeiter. Als Anhänger des aufgeklärten Fortschrittgedankens hatte er schon früh seine liberalen Überzeugungen in einem eigenen Verlag veröffentlicht. Seine Unternehmerkarriere sah Cramer-Klett „als Fortführung der aufklärerischen Aufgabe zur Bildung der Menschheit“. Die bedrückenden Lebensumstände eines großen Teils seiner Arbeiter zu lindern, war Cramer-Klett, ganz der Typ des Unternehmerpatriarchen, eine Verpflichtung. 1869 richtete er eine Krankenunterstützungskasse für seine Fabrikarbeiter ein, zur Verbesserung der Wohnsituationen ließ er Werkswohnungen errichten. Theodor Cramer-Klett verstarb am 5. April 1884.

Nach Besichtigung von Schloß Hohenaschau gab es noch eine Stärkung der Reisegruppe in Prien am Chiemsee. Mit einem schönen Blick über den sonnigen Chiemsee begaben wir uns wieder auf Heimreise.

Mein herzlicher Dank gilt Frau Stadträtin Ulrike Hölldobler-Schäfer für die Organisation und Leitung dieser schönen Reise.                              

             

 

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