Im Februar 1848 wurde in Frankreich der König gestürzt und die Republik ausgerufen, im März weitete sich die Revolution auf Deutschland und andere Länder Europas aus. Auch Mögeldorf wurde in die Geschehnisse hineingezogen. In mehreren Beiträgen zu „Alt-Mögeldorf“, der Vorgängerschrift unseres heutigen Vereinsblattes „Unser Mögeldorf“, hat der Mögeldorfer Lokalhistoriker Leo Beyer die Ereignisse vor Ort beschrieben. Als seine Quellen nennt er „Tagebücher und mündliche Überlieferungen“. Eine diese Quellen hatte er kurz zuvor in „Alt-Mögeldorf“ selbst auszugsweise vorgestellt: das Tagebuch eines von ihm namentlich nicht genannten, 1863 verstorbenen Mögeldorfer Schreinermeisters. Der Verfasser bleibt mysteriös: Der einzige Mögeldorfer Schreinermeister, dessen Tod sich in den Nürnberger Kirchenbüchern für das Jahr 1863 nachweisen lässt, Joseph Behr, Mögeldorf 8 (Mögeldorfer Hauptstraße 43), starb am 4.7.1863 im Alter von erst 42 Jahren – und kann dann unmöglich, wie bei Beyer zu lesen, 1816/17 sein Tagebuch angefangen und 1824 einen Lehrjungen angenommen haben. Die Frage muss offenbleiben.
Auch wenn die Mögeldorfer mit Fackelzügen und Freudenfeuern, Demonstrationen und Petitionen an der Revolution lebhaft Anteil nahmen, so stand Mögeldorf doch nur am Rande des Geschehens. Das bemerkenswerteste Ereignis war ein Auflauf am 9. Mai 1849, bei dem Mögeldorf nun tatsächlich im Mittelpunkt stand. Der historische Hintergrund: Am 28. März 1849 hatte das revolutionäre gesamtdeutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche eine Verfassung mit Grundrechtskatalog verabschiedet, die am 14. April, wie vom Parlament gefordert, von 28 deutschen Staaten bedingungslos anerkannt wurde. Nur wenige deutsche Staaten, darunter aber gerade die größten: das Kaiserreich Österreich und die Königreiche Preußen, Bayern und Sachsen, verweigerten die Anerkennung. Daraufhin brachen in Sachsen und in der damals bayerischen Rheinpfalz Volksaufstände aus; in Franken und anderen Gebieten verlangten friedliche Massenversammlungen die Anerkennung der Verfassung. Die Regierung in München wurde nervös und verlegte Truppen in die Unruhegebiete, auch nach Nürnberg und in seine Umgebung. Vor diesem Hintergrund kam es in Mögeldorf zu einem halb dramatischen, halb skurrilen Auflauf, den Beyer mit folgenden Worten schildert:
„Bereits am 9. Mai ging durch das östliche Nürnberger Hinterland das Gerücht, der König habe abgelehnt und die Revolution sei in Gefahr. Daraufhin schaarten sich die Bauern von Laufamholz, Hammer, Malmsbach und ‚Perngersdorf‘ zusammen, bewaffneten sich mit Flinten, Säbeln, Mistgabeln, Holzhacken und Dreschflegeln und zogen nach Mögeldorf, um eine neue Revolution zu machen. Cramer allerdings klärte sie auf, sprach zu ihnen und betonte, dass eine Ablehnung des Königs durchaus noch nicht erfolgt sei und sich in Nürnberg vorläufig alles ruhig verhalte. Da sie aber nun schon einmal da wären, fuhr er weiter (fort), schlage er vor, in den Roten Ochsen zu gehen, daselbst wolle er ein großes Faß Bier auflegen lassen. Das ließen sich die Bauern nicht zweimal sagen und es hub ein großes Zechen an, das bis tief in die Nacht und den Morgen hinein dauerte.“
Wer war der genannte Cramer? Der Kaufmann Johann Albert Cramer war der bedeutendste Führer der Demokraten in Mögeldorf, Besitzer des Schmausenschlosses und bis zu seinem Bankrott auch des Schmausenbucks. Cramer war es, der als erster die königliche Proklamation nach Mögeldorf gebracht und an der Mauer des „Roten Ochsen“ angebracht hatte, in der Ludwig I. unter dem Druck des Aufstandes in München die Forderungen der Revolutionäre bewilligt hatte. Schon wenige Tage nach Ausbruch der Revolution regte Cramer die Gründung des „Mögeldorfer Bauernklubs“ an, dem rund 300 Mitglieder aus Mögeldorf und den umliegenden Dörfern beitraten. In den folgenden Monaten organisierte der Bauernklub Demonstrationen für die wirtschaftlichen und politischen Forderungen der Bauern (Forstgebühren, Forstrechte, Verfassung) und hielt regelmäßige Vortragsabende ab, um die Landleute mit ihren neuen Rechten bekannt zu machen.
Interessanterweise gibt es zu den Ereignissen vom 9. Mai auch eine aktenmäßige Überlieferung, die Beyer offenbar nicht eingesehen hat. In einem leider undatierten, zwischen dem 14. und 26. Mai 1849 in Ansbach eingegangenen Bericht des Landgerichts Nürnberg (entspricht dem späteren Landratsamt Nürnberg), zu dessen Bereich Mögeldorf gehörte, an das Präsidium der Regierung von Mittelfranken findet sich die folgende Darstellung:
„Nürnberg, den … May 1849.
Hohes Praesidium der koenigl. Regierung von Mittelfranken!
Königl. Landgericht Nürnberg
Ex officio
Betreff: Versuch eines bewaffneten Zuzugs vom Lande nach Nürnberg.
Die gestern an Ort und Stelle gepflogenen Vernehmungen ergaben Folgendes:
Ein auf dem Lande bekannter Unterkäufer Schmidt von hier begab sich am 9. d. Mts. Vormittags zwischen 9 und 10 Uhr nach Mögeldorf und Laufamholz, suchte den Gemeindevorsteher auf dem Felde und in letzter Gemeinde noch mehrere Ortseinwohner auf, indem er ihnen sagte, er (sei) von Bürgern Nürnbergs, wo schon Alles drunter und drüber gehe, das Zeughaus gestürmt sey u. dgl., zu ihnen geschickt, damit sie der Stadt bewaffnet zu Hülfe ziehen; um 1 Uhr Mittags werde Sturm dortselbst geläutet und geschossen, da sollten sie in Haufen hinaus ziehen.
Während der Gemeindevorsteher von Mögeldorf den Ortseinwohnern hievon Nichts mittheilte, wurde dagegen in den zur Gemeinde Laufamholz gehörenden Ortschaften Ober- und Unterbürg, in der Fabrik zu Hammer, dann in Malmsbach und Schwaig diese Nachricht mit der größten Schnelligkeit verbreitet, und um halb 1 Uhr stand ein Haufen von 150-200 Bauern, Fabrikarbeiter und Taglöhner mit Waffen, wie sie dieselben gerade bei der Hand hatten, versehen, in Mögeldorf, wo sie glaubten, daß Führer ihrer warteten.
Als ihnen nun von dort durch einige aus der Stadt gekommene Mögeldorfer Einwohner gesagt wurde, daß in Nürnberg Alles ruhig und sie daher getäuscht worden seyen, zerstreuten sie sich und zogen, ohne daß ein Excess vorgefallen wäre, ruhig wieder heimwärts.
Dies das wahre Sachverhältnis, welches mit dem Bemerken berichtet wird, daß den ruhigeren, gutgesinnten Bauern die Meinung beigebracht worden war, sie hätten die Pflicht, den Nürnbergern, wohin sie ihre Produkte absetzen, und von denen sie leben, zu Hülfe zu eilen, daß überhaupt aber die Beschlüsse und Maßregeln des hiesigen Volkscomitées gegenwärtig den in hiesiger Gegend wohnenden Landleuten maßgebend sind.
In tiefster Ehrfurcht
eines hohen Präsidiums unterthänig gehorsamstes Landgericht.“
Horst-Dieter Beyerstedt
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe Dezember 2018
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