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Das Bild vor uns ist eine der schönsten Abbildungen eines alten Vogelherdes aus dem 16. Jahrhundert.
Sie stammt aus der Stadtbibliothek Nürnberg.
Man sieht links das Vogelfängerhäuschen und rechts daneben die aufgestellten Schlagnetzen.
Die Anlage ist mit den Lockvögeln aufgehängt waren
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Häufig sind in unseren Zeitungen Schlagzeilen zu lesen, wie: „Die Vogeljagd ist in Italien ein beliebter Massensport. In jeder Jagdsaison werden mindestens 150 Millio-nen Vögel abgeschossen oder gefangen. 140 Millionen Zugvögel landen in ägyptischen Fallen, oder: Zwei Millionen Zugvögel fallen jährlich auf der Mittelmeerinseln Zypern den Wilderern zum Opfer.“ Entsetzen und Entrüstung packt uns bei der Vorstellung, dass unzählige Singvögel jährlich auf grausame Art und Weise umgebracht und anschließend verzehrt werden. Freilich schwingt dabei auch ein Gefühl kultureller Überlegenheit gegenüber den Völkern im Mittelmeerraum mit, die derart barbarisch millionenfachen Vogelmord oft geradezu als Massenbelustigung betreiben. Wir sind überzeugt, dass bei einem gesitteten Kulturvolk, wie wir es sind, ein derart grausames Verhalten gegenüber Singvögeln unvorstellbar wäre.
Angesichts dieser unserer Einstellung ist es freilich höchst erstaunlich, dass wir mit aller Selbstverständlichkeit Ausdrücke verwenden, wie: „Ins Netz gehen, auf den Leim gehen, auf den Busch klopfen, ins Garn gehen.“ Wir sprechen gerne von einem „Lockvogelangebot“ oder von der „Person, bei der alle Fäden zusammenlaufen“. Kaum jemand ist sich dessen bewusst, dass er dabei Ausdrücke der Vogelfängersprache gebraucht, die noch heute die einst außerordentlich große Bedeutung des Vogelfangs bei uns bezeugen.
Die Zahl der Vogelherde um Nürnberg war in früheren Zeiten sehr groß. Eine Aufstellung von 1574 verzeichnete eine Gesamtzahl von fast 230 Vogelherden. In welchen riesigen Mengen auch bei uns früher Singvögel gefangen wurden, belegt die Chronik des Nürnberger Ratsherrn Starck. Sie berichtet, dass 1611 der Mesner von St. Sebald 7.219 Lerchen gefangen habe. Bewundernd fügte Starck hinzu: „Dergleichen Glück hat kein Vogler dieser Zeit gehabt.“ Die erbeuteten Vögel wurden von Männern auf Stangen zum Markt getragen. Je fünf gerupfte Vögel steckte man auf ein Spießlein und verkaufte sie dann „wohlfeil“ zu jeweils10 Kreuzer.
Über ein halbes Jahrtausend wurde der Vogelfang bei uns geradezu mit leidenschaftlichem Eifer betrieben. Es war ein einschneidendes Ereignis, als dann am 4. August 1809 der Vogelfang im Reichswald verboten wurde. Gleichwohl bestanden einzelne Patrizier nach 1809 hartnäckig auf dem weiteren Betrieb ihrer Vogelherde. Sie reichten „mit den fadenscheinigsten Argumenten gespickte Bittgesuche“ bei der Forstverwaltung ein. Doch kam es bei allen diesen Gesuchen zu einem abschlägigen Bescheid durch die Forstverwaltung, die darauf hinwies, es entstünden durch die Abnahme der nützlichen Vögel die schädlichsten Folgen für die Holzkultur.
Meist erfolgte der Vogelfang auf dem sog. Vogelherd. Das Grundwort „-herd“ bedeutet dabei so viel wie „Erde, Boden“. Gemeint ist der Erdaufwurf, auf dem die Schlagnetze ausgelegt waren und auf dem seitlich das mit Zweigen verkleidete Vogelfängerhäuschen stand. Waren genügend Vögel eingefallen, brachte der Vogelfänger durch einen blitzschnellen Zug an den Leinen die Netze zum Zusammenklappen. Er sprang dann herbei, löste die Vögel aus dem Garn und drückte ihnen die Köpfe zusammen.
Eindrucksvoll ist ein in der „Fränkische Heimat“ veröffentlichter zeitgenössischer Bericht, der die gespannte Stimmung beim Vogelfang veranschaulicht: „An einem schönen Herbsttag ging es vor Tau und Tag hinaus zum Vogelherd. Wir schlüpften ins Häuschen hinein und setzen uns im hinteren Raume fest. Jeder natürlich an einem der kleinen viereckigen Ausgucklöcher. Der Helfer hatte bereits alles in bester Weise als erfahrener alter Vogelgockerer hergerichtet. Die Lockvögel hingen an den Bäumen, die Läufer und Flatterer waren ausgebunden, Futter gestreut, die grünen Netze fängisch gestellt. Ein großer Flug Drosseln – Krammetsvögel — kommen heran. Die ersten sitzen schon am Herd, die letzten noch auf den Bäumen. Ich hätte schon am Netz gezogen, aber der erfahrene Vogelstellter wollte den ganzen Flug haben und wartete noch. Endlich waren auch die letzten, vorsichtigsten auf den Herd geflogen und taten sich an den Ebereschen gütlich. Da, ein Ruck im Häuschen, die Netze schlugen über die schmausenden Vögel zusammen und an die vierzig Drosseln zappelten schreiend und flatternd unter dem Garn. Und nun kam der garstigste Teil der Vogelstellerei, den ich mit Stillschweigen übergehen will. Die Netze wurden wieder gestellt und wir warteten auf neue Vogelflüge.“
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Das "Vollständige Nürnbergische Koch-Buch" von 1681 bringt zahlreiche ausgesuchte Rezepte für die Zubereitungvon Vögeln.
Bild: Stadtbibliothek Nürnberg
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Für einfache Leute bedeutete der Vogelfang eine günstige Möglichkeit, Fleisch zu erwerben. Doch auch in den höchsten gesellschaftlichen Ständen erfreute sich der Vogelfang größter Beliebtheit. Man denke nur an die Sage von Heinrich dem Vogler, dem die Kaiserkrone angeboten worden sein soll, als er sich gerade in Quedlinburg dem Vogelfang hingab. Im Jahr 1571 erließ der Rat eine Vogelherdordnung. Gegen eine jährliche Gebühr wurde die Erlaubnis zum Vogelfang, der sogenannte Vogelzettel, ausgestellt.
Die Singvögel galten als ausgesuchte Delikatesse. Für die Feinschmecker gab es ausgeklügelte Kochrezepte. Das „Vollständige Nürnbergische Koch-Buch“ von 1691 beispielsweise empfiehlt folgende Rezepte: „Gespickte Troscheln oder Krammets-Vögel zu braten, Gebratene Lerchen in einer Brüh, Finken, Emmerlinge, Gegler und Meisen etc. zu braten, Gebratene oder geröstete Vögel in Weintrauben.“
Nachdem 1809 der Vogelfang um Nürnberg verboten worden war, gab man die meisten Vogelherde auf. Einige von ihnen trifft man noch verlassen mitten im Wald als mehr oder weniger große Hügel. Es war reiner Zufall, dass der Verfasser kürzlich einen ehemaligen Vogelherd auf dem Schmausenbuck entdeckte. Für den Vogelfang war die Lage dieses ehemaligen Vogelherdes geradezu optimal. Zu sehen ist nur noch ein flacher Hügel, der kaum einen Meter hoch ist. Die in West-Ost-Richtung sich erstreckende Längsseite mag vielleicht 40 Meter betragen, die Breite neun Meter. Leider führt eine viel befahrene Strecke der Mountainbiker genau über dieses alte Bodendenkmal, das dadurch weiter zerstört wird.
Wer diesen Vogelherd einmal aufsuchen möchte, geht am besten an der Buchenklinge vorbei den Klingenweg weiter bergauf bis er auf den Anton-Leidinger-Weg (Wegmarkierung: blauer Querstrich) stößt. Folgt man diesem dann in östlicher Richtung, so trifft man in etwa eineinhalb Kilometern rechts und links des Weges jeweils auf einen auffälligen kegelförmigen Hügel. Geht man noch etwa 50 m weiter, so sieht man links einen schmalen Trampelpfad, der nordwärts führt. Folgt man ihm etwa 50 m, so steht man vor dem ehemaligen Vogelherd, von dem freilich nur noch ein flacher Hügel zu erkennen ist. Typisch ist die Lage dieses alten Vogelherdes an der Hangkante, war doch hier die Wahrscheinlichkeit, dass viele Vögel auf den Herd flogen, relativ hoch.
Für uns ist der Vogelfang so fremd geworden und so sehr mit Abscheu verbunden, dass wir uns wohl kaum vorstellen können, was sich hier an dieser einsamen Stelle im Wald in vergangenen Zeiten einmal wirklich abgespielt hat.
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DStandort des Vogelherds sieht heute in Natur wie von Hr. Rusam fotografiert aus.
Bild: Rusam 2019
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