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Buchstaben und Psalmentexte

Schriftproben von Mögeldorfer Schülern aus dem Jahr 1653

In den Büchern, die zur Mögeldorfer Geschichte bisher erschienen sind, nimmt auch das Schulwesen immer einen wichtigen Platz ein.1 So wissen wir, dass es erste Nachrichten über einen Lehrer und damit über einen regelmäßigen Schulbetrieb in Mögeldorf schon aus dem Jahr 1506 gibt. Der Einzugsbereich der Schule war – wie der der Pfarrei – sehr groß: Neben Kindern aus Mögeldorf selbst besuchten auch Schüler aus Gleißhammer, Laufamholz, Malmsbach, Oberbürg, Röthenbach, Schwaig, Unterbürg und Zerzabelshof den Unterricht des Mögeldorfer Lehrers. Er lehrte zunächst im Haus Ziegenstraße 10, das allerdings im Zweiten Markgrafenkrieg Mitte des 16. Jahrhunderts zerstört wurde. Der Lehrer, der zugleich das Amt des Mesners an der Mögeldorfer Pfarrkirche ausübte, erhielt nach dem Krieg einen neuen Dienstsitz, das Mesnerhaus an der nordöstlichen Ecke des Pfarrgartens, wo nun auch der Unterricht stattfand.

Der Nürnberger Rat übte durch das Landpflegamt auch über Schulen auf dem Land die Schulaufsicht aus und erließ Schulordnungen oder fixierte die Anforderungen an die Inhaber einzelner Stellen. So zitiert bereits Leo Bayer die "Pflicht eines Schulmeisters und Mesners zu Mögeldorf"2 von 1658, in der es heißt, dass er die Schüler "in christlicher Lehre ... treulich und fleißig unterrichten und lehren" solle, "nichts handeln, thun noch lehren wolle, das der Jugend schädlich, verderblich oder christlicher Lehre ... zuwider wäre" und er die Schüler "fleißig abfragen ... sowohl im Buchstabieren und Lesen" solle; Buchstabieren meint hierbei wohl das Schreiben.

Bisher unbeachtet, hat sich im Nürnberger Staatsarchiv ein Beispiel dieses alltäglichen Abfragens der Schüler und gleichzeitig ein Beispiel für den Schreibunterricht auf einer Schule im Nürnberger Landgebiet erhalten. Es handelt sich um insgesamt 22 Blätter, die im Bestand des reichsstädtischen Landpflegamts zu finden sind und unter dem Betreff "Schreibproben von Mögeldorfer Schülern, 1653" verzeichnet sind.3 Es war im Monat Februar, als der damalige Mögeldorfer Lehrer seinen Schülerinnen und Schülern die Aufgabe stellte, Schriftproben auf jeweils ein Blatt zu schreiben. Was der Grund dafür war, die Blätter zu sammeln und sie ans Landpflegamt zu schicken, wo sie dann archiviert wurden, ist der Akte nicht zu entnehmen; vielleicht bewarb sich der Lehrer, dessen Name in der Akte ebenfalls nicht aufgeführt wird, ja um eine lukrativere Stelle und wollte zeigen, wie gut er seinen Schülerinnen und Schülern das Schreiben beigebracht hatte. Zufrieden konnte er sicher sein, handelt es sich doch bei allen Schriftproben um eine saubere, noch heute gut lesbare Handschrift, sowohl im Bereich der Druckbuchstaben als auch bei der Schreibschrift.

Den Blättern ist zudem zu entnehmen, dass es im Bereich des Schreibvermögens drei Klassenstufen gab: Während die Schreib-Anfänger nämlich lediglich Buchstabenübungen der Schreibschrift zu Papier bringen mussten, schrieben die schon etwas weiter Fortgeschrittenen bis zu zehn Zeilen in Schreibschrift. Eine Art Zwischenstellung nahmen zwei Schüler ein, die zwar in der Hauptsache noch Buchstabenübungen absolvierten, dann aber noch sehr unbeholfen einen Liedvers niederschrieben. Die höchste Stufe hatten die Schüler erreicht, die ihr Können mit drei verschiedenen Schriften zeigten: Sie begannen ihre Texte mit einer relativ großformatigen Druckschrift, um dann in eine etwas kleinere Druckschrift zu wechseln und dann den Großteil des Textes in einer durchweg sauberen Schreibschrift, welche die Unsicherheiten der Schreib-Anfänger gänzlich abgelegt hat, zu Papier zu bringen.

Wie schon im späten Mittelalter, so beruhte die schulische Unterweisung der Nürnberger Kinder – und damit auch der Kinder im Landgebiet der Stadt – auf einem engen Zusammenspiel von religiösem und allgemeinem Wissen. Lesen und Schreiben vermittelte man anhand von liturgischen oder biblischen Texten, so wie dies Klaus Leder in seiner Arbeit über Kirche und Jugend in Nürnberg deutlich machen konnte.4 Die Mögeldorfer Schreibproben als zufällig überliefertes Zeugnis des Unterrichts in der Mitte des 17. Jahrhunderts bestätigen diese Beobachtungen. Die Schülerinnen und Schüler, die einen Text zu schreiben haben, schrieben einen Psalm in der deutschen Fassung nieder. Reichte der Platz nicht mehr aus, so brachen sie einfach mitten im Text ab – Sinn der Übung war ja auch das Präsentieren von Schreib-Können. Auch bei dem schon erwähnten Liedvers handelte es sich um einen geistlichen Text, nämlich das dem modernen Musikfreund noch aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach geläufige "Ach mein herzliebes Jesulein".

Neben diesen Hinweisen auf das Unterrichtsgeschehen vermögen uns die Blätter aus dem Jahr 1653 auch noch einen Einblick in die Zusammensetzung der Mögeldorfer Schüler, nur fünf Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, zu geben.

Von 22 Schülerinnen und Schülern sind uns Schreibproben erhalten – ob dies alle waren, die im Februar 1653 in Mögeldorf unterrichtet wurden, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es waren 16 Jungen und immerhin sechs Mädchen, die alle zumindest im Schreiben eine ordentliche Ausbildung erhielten. Da jedoch Schulgeld zu zahlen war, gab es sicherlich auch genügend Kinder, die nicht oder nur saisonweise die Schule besuchten. Gerade Kinder aus Familien, die in der Landwirtschaft arbeiteten, besuchten viele nur im Winter die Schule – im Februar könnte es also eher eine Art Höchststand gegeben haben. 16 der Schülerinnen und Schüler kamen aus Mögeldorf selbst, zwei aus Erlenstegen und je eine oder einer aus Laufamholz, Malmsbach, St. Jobst und Unterbürg. Bei Maria Magdalena und Johannes Caspar Spieß dürfte es sich um die Kinder des gerade in Mögeldorf amtierenden Pfarrers Johann Albert Spieß gehandelt haben; über die soziale Herkunft der anderen kann keine Aussage getroffen werden.5

So geben uns die 22 Blätter Zeugnis von einer Landschule im Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg, die ihren Schülerinnen und Schülern eine offensichtlich gute Ausbildung zukommen ließ, und so mag Leo Beyers Aussage, "Mögeldorf nannte nämlich eine ganze Reihe ausgezeichneter Lehrer sein eigen" für das 17. Jahrhundert wirklich zugetroffen zu haben.6

Die drei unterschiedlichen Fertigkeitsstufen in Hinsicht auf das Schreiben lassen auf drei Klassen in der Mögeldorfer Schule im Februar 1653 schließen. Die Schülerinnen und Schüler verteilten sich wie folgt auf sie:

Höhere Klasse (Sieben Jungen und zwei Mädchen, davon sechs aus Mögeldorf und je eine/r aus Erlenstegen, Malmsbach und Unterbürg):

Finck, Paulus (Mögeldorf), Fuchs, Ulrich (Mögeldorf), Kieskalt, Johannes (Mögeldorf), Krauß, Erhardt (Malmsbach), Lindtner, Johannes (Mögeldorf), Michlin, Margaretha (Erlenstegen), Rost, Michael (Mögeldorf), Spießin, Maria Magdalena (Mögeldorf), Starck, Paulus (Unterbürg)

Mittlere Klasse (Drei Jungen und zwei Mädchen, davon vier aus Mögeldorf und einer aus Laufamholz):

Kiesel, Johannes (Mögeldorf), Ludwig, Michael (Laufamholz), Seifferlin, Anna Maria (Mögeldorf), Spieß, Johannes Casparus (Mögeldorf), Wotlin, Agnes (Mögeldorf)

Untere Klasse (Sechs Jungen und zwei Mädchen, davon sechs aus Mögeldorf und je einer aus Erlenstegen und St. Jobst):

Berdelt, Lorenz (St. Jobst), Friehes, Steffan (Mögeldorf), Geißler, Georg (Mögeldorf), Geißlerin, Anna (Mögeldorf), Ludwigin, Margaretha (Mögeldorf), Michel, Georg (Erlenstegen), Riedel, Johannes (Mögeldorf), Wolff, Christoff (Mögeldorf)

1 Leo Beyer: Mögeldorf, der Schmausenbuck und der Nürnberger Reichswald, Nürnberg 1952, S. 65-71, und Bürger- und Geschichtsverein Mögeldorf (Hg.): Mögeldorf. Ein Streifzug durch die Geschichte, Nürnberg 2000, S. 156-167.
2 Das Original im Staatsarchiv Nürnberg, abgedruckt bei Leo Beyer: Mögeldorf, der Schmausenbuck und der Nürnberger Reichswald, Nürnberg 1952, S. 66f. Das Zitat wird nach Leo Beyer wiedergegeben.
3 Staatsarchiv Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Kirchen und Ortschaften auf dem Lande, Akten, Nr. 466.
4 Vgl. Klaus Leder: Kirche und Jugend in Nürnberg und seinem Landgebiet. 1400 bis 1800, Neustadt/Aisch 1973 (= Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, Bad 52).
5 Ein Abgleich mit den Mögeldorfer Kirchenbüchern könnte hier weiterhelfen, der im Rahmen dieses Artikels nicht unternommen werden konnte.
6 Leo Beyer: Mögeldorf, der Schmausenbuck und der Nürnberger Reichswald, Nürnberg 1952, S. 67.