Der 1. Vorsitzende des
Bürger- und Geschichtsvereins Mögeldorf e.V., Herr Wolfgang Köhler, begrüßte die
geschichtsinteressierten Mögeldorferinnen und Mögeldorfer. Er bedankte sich bei
dem Leiter des Stadtarchivs, Herrn Dr. Diefenbacher, für dessen Bereitschaft
durch die Ausstellung zu führen. Anschließend begrüßte der Archivleiter die
Anwesenden und verwies zu Beginn auf Archivalien, die für die Mögeldorfer
Bürgerinnen und Bürger von Interesse sein könnten. So beschrieb er dem
Stadtarchiv neu zur Verfügung stehende Urkunden aus dem Holzschuher´schen
Archiv, in denen es um einen Herrensitz in Mögeldorf ging.
Zuerst muss man sich
natürlich fragen, warum neben der Landesausstellung, die in der Tafelhalle
stattfindet, nun auch noch eine Ausstellung des Stadtarchivs organisiert wurde.
Die Landesausstellung ist aus der Sicht der gesamtstaatlichen Sicht gestaltet.
Was diese Ausstellung nicht leisten konnte, soll hier in der Norishalle
gestaltet werden. Die Archivalien stammen aus der Stadt Nürnberg, dem Nürnberger
Land und dem Großraum Nürnberg. Es gab eine Kooperation mit dem Staatsarchiv
Nürnberg, da ein Großteil der reichsstädtischen Urkunden dort aufbewahrt wird.
Die Alt-Nürnberger Landschaft, der Geschichtsverein der Stadt Nürnberg, das
Stadtarchiv Erlangen trugen dazu bei, dass mehrere Teilausstellungen, u. a. in
der Stadtbibliothek, gezeigt werden können.
Die
Ausstellung gliedert sich in vier Schwerpunkte. Der erste Zeitraum 1775 –
1794 beleuchtet die Zeit, in der für die Nürnberger noch alles einigermaßen
in Ordnung war, der langsame Verfall sich aber trotzdem langsam abzeichnete, z.
B. in den enormen Schulden. Diese Verschuldung hatte eine lange Vergangenheit.
Auf dem Reichstag zu Worms wurde das Wormser Reichsmatrikel erlassen. Es ging um
die Festsetzung der Reichssteuer, die für Nürnberg überproportional hoch
ausfiel, da die Reichsstadt die florierendste Stadt im Reich war. Die Steuer
entsprach der eines Kurfürstentums. Nach 1521, besonders nach dem 30-jährigen
Krieg - also Mitte des 17. Jahrhunderts - war die Wirtschaftskraft nicht mehr so
hoch, die Steuerforderungen wurden aber nicht gesenkt, da Preußen und Bayern
dagegen waren.
In
den 90-iger Jahren forderten die sog. Koalitionskriege der Stadt hohe
Tributzahlungen ab. Die inzwischen angehäuften 10 Millionen Schulden waren aber
keine Fremdschulden – Schuldner waren die eigenen Bürger, die noch wohlhabend
waren, einige sogar sehr reich. Die stadttragende Schicht war nach wie vor das
Patriziat, das sich von den Wirtschaftsdingen zurückgezogen hatte und die Stadt
planwirtschaftlich steuerte. Die mittelalterliche Wirtschaftsverfassung hatte
die Handwerker, die zwar offiziell keine Zünfte kannten, benachteiligt. Man war
bestrebt möglichst keine Produkte von außen zuzulassen, rings um Nürnberg aber
wurden Fabriken erlaubt, die preiswerter und genau so qualitativ hochwertig
produzierten und zudem neue Wirtschaftszweige entwickelten wie Strumpfwirkerei
oder den Tabakanbau. Die Handwerksverfassung war schlichtweg veraltet und nicht
mehr konkurrenzfähig. Das Patriziat zahlte so wenig Steuern wie die
Nicht-Besitzenden. Ein Nürnberger, der Handel trieb, zahlte für alle
Handelsgüter, die er verkaufte. Der Unterschied zwischen Patrizier und
Handelsherr betrug ungefähr das Vierfache. Der Große Rat, in dem die
Handeltreibenden vertreten waren, war nicht mehr als ein Akklamationsinstitut
und so forderten die Handelsherren im 18. Jahrhundert ein Mitspracherecht. Der
angerufene Reichshofrat und der Kaiser entsprachen der dementsprechenden Klage
nicht. Im Jahre 1785/86 war die Stadt zahlungsunfähig. Der Große Rat sollte
einer Steuererhöhung zustimmen, er verneinte und forderte stattdessen ein
Mitspracherecht. Im Jahr 1794 beschlossenen Grundvertrag bilden
Patrizier, Handeltreibende und Handwerker paritätisch einen Rat. Das
Rechnungsrevisionskollegium wurde neu eingerichtet, das prüfen solle, an welchen
Stellen in Nürnberg gespart werden könnte. (Wer sieht hier keine Parallele zur
heutigen finanziellen Lage unserer Kommunen?) Es wurde zwar fast täglich getagt,
zwei, drei Ämter wurden zusammengelegt, aber die Schuldentilgung war nicht
erfolgreich. So wurde die Arbeit dieses Kollegiums 1797 zwangsweise eingestellt,
da der Kaiser in diesem Jahr stattdessen eine Subdelegationskommission
eingesetzt hatte.
In den Jahren 1789 –
1794 waren als Folge der Französischen Revolution Unruhen in der Stadt zu
verzeichnen. Es gab Gesellenaufstände, besonders bekannt aber blieb in Nürnbergs
Geschichte der sog. „Eierkuchenaufstand“. Es war alter Brauch, dass die
Nürnberger Bäcker zu Ostern Eierkuchen buken und ihren Kunden schenkten. 1794
wurde aufgrund des Mangels an Brotgetreide das Backen von Eierkuchen so teuer,
dass sich die Bäcker weigerten, kostenlos Eierkuchen zu backen. Die Bürger
stürmten die Backstuben und es wurden Eierkuchen gebacken, obwohl die
Versammlungen mit Waffengewalt aufgelöst wurden.
In
der zweiten Abteilung der Ausstellung, die sich mit der Zeit von 1794 – 1806
befasste, wird auf die Reformansätze hingewiesen. So wurde u. a. das Schulwesen
reformiert, Armenschulen wurden errichtet, um vor allem die unteren
Bevölkerungsschichten an Bildung heranzuführen. Die äußeren Spannungen nahmen ab
1790/91 zu, die sich wiederum auf Geschehnisse vor über 200 Jahren bezogen. In
den Jahren 1504/05 hatten die Nürnberger infolge des Landshuter Erbfolgekriegs
Ämter der Wittelsbacher besetzt, so Hersbruck Lauf, Altdorf, Betzenstein. Die
pfälzischen Wittelsbacher begannen 1790/91 Teile dieser Ämter zu erobern bzw. zu
besetzen, Nürnberg konnte sich nicht wehren, weil es nicht über eine
entsprechende Waffengewalt verfügte.
1791/92 übernahm das Königreich Preußen die hohenzollerischen Fürstentümer
Ansbach und Bayreuth und erhob Anspruch auf die früheren Landgebiete, in denen
die Hohenzollern nach dem Vertrag von 1427 (Räumung der Stadt Nürnberg durch die
Hohenzollern) die Hochgerichtsbarkeit behalten hatten. Als Ansbach und Bayreuth
preußisch geworden war, war es Hardenberg, der weitere Gebiete besetzen lässt,
u. a. das Alte Land um Nürnberg herum, darunter auch Mögeldorf. Preußen steht
quasi vor Nürnbergs Haustür: Neben Mögeldorf auch etwa Gostenhof, St. Johannis,
Wöhrd. Überbleibsel der „preußischen Zeit“ ist das Hausnummernsystem, das 1792
eingeführt wurde.
1796 wurde – betrieben
von den Nürnberger Handelsleuten im Großen Rat – eine Volksabstimmung
durchgeführt, ob Nürnberg sich freiwillig Preußen anschließen würde. Mit großer,
ja sehr großer Mehrheit – nämlich fast 90 Prozent der abgegebenen Stimmen –
wurde dem zugestimmt. Abstimmungsberechtigt waren drei Tausend Männer (Frauen
hatten ja damals bekannterweise noch nicht das Wahlrecht). Dem preußischen König
wurde der Antrag vorgelegt – er lehnt ab. Nicht wegen der enormen Verschuldung,
wie oft gemutmaßt wurde, sondern weil er außenpolitische Probleme befürchtete,
so mit dem Kaiser und mit Russland. Russland war übrigens der einzige Staat, der
gegen Napoleons Handlungsweise, den deutschen Kaiser zur Abdankung zu zwingen,
protestierte. Im gleichen Jahr – 1796 – ging auch ein Teil der kulturellen
Bedeutung Nürnbergs unter, denn die Reichskleinodien wurden wegen der Gefahr der
Konfiszierung durch die Napoleonische Armee nach Regensburg verschafft, später
nach Wien.
1803 wurde der Reichsdeputationshauptschluss erlassen. Die Mächte, die
links-rheinischen Besitz hatten, die von Frankreich erobert worden waren,
sollten entschädigt werden. So wird München mit geistlichem Gebiet entschädigt.
So mit dem Hochstift Bamberg, Eichstätt, Hochstift Regensburg, kleinere Städte.
Nürnberg, hatte Glück, blieb wie Augsburg, Frankfurt selbständig, auch wie
Bremen, Hamburg und Lübeck. In dieser Zeit gab es auch ein geheimes Abkommen
zwischen Bayern und Ansbach. Preußen verhielt sich zunächst neutral, war also
auch nicht auf der Seite Frankreichs. In der Schlacht bei Jena und Auerstädt, in
der es Preußen allein mit Frankreich aufnahm, verloren die Preußen und wurden
aus Franken hinausgedrängt. 1806 kam es zum Vertragsbruch, als Napoleons
Vasallen das Nürnberger Landgebiet Bayern entgegen dem
Reichsdeputationshauptschluß zusprechen.
In
der dritten Abteilung der Ausstellung geht es um den 15. September 1806.
Französisches Militär zieht auf, bayerische Heere ziehen in Nürnberg ein.
Friedrich Karl Graf von Thürheim, der Generalkommissär für Franken, entließ den
Nürnberger Rat und alle Amtsträger aus ihren Verpflichtungen gegenüber der
Reichstadt Nürnberg. Er führt ein zentralistisches Regiment, Nürnberg hat keine
Selbstverwaltung mehr. De facto war es Christian Wurm, der staatliche
Polizeidirektor, der die Amtsgeschäfte in Nürnberg führte. 1808 wurde eine
Munizipalverfassung erlassen, die Nürnberger verweigerten die Zusammenarbeit,
weil alles, was die Munizipalversammlung erreichen will, von Wurm abgesegnet
werden muss. Gegen diese Pseudofreiheit verweigern sich die Nürnberger Bürger.
Einen gewaltigen Schlag stellte die am 2./3. November statt findende
Versteigerung des gesamten Nürnberger Inventars dar, größtenteils nur zum
Materialwert, der künstlerische Wert blieb außer Betracht. So wurde z. B. das
Rathausgitter und sämtliche Gitter der Nürnberger Brunnen gleichsam für ein
Butterbrot verhökert. Letzteres führte zu Protesten, denn diese Gitter sollten
Tiere wie Hunde und Pferde von den Brunnen abhalten, nach der Abnahme wurden die
Brunnen von den Soldaten als Tränke für ihre Pferde missbraucht und so als
Trinkwasserbrunnen unbrauchbar. Daneben wurden viele Gebäude abgerissen, um
Baumaterial zu gewinnen, z. B. Klosterkirchen, die nach der Säkularisation
teilweise als Ämtergebäude der Stadt genutzt wurden: Barfüßerkloster,
Dominikanerkloster. Besonderes Aufsehen erregte der Abriss der sog. „Alten
Schau“, das Schauhaus, das die Nürnberger Münzen und die Güter prüfte, der
Nürnberger Staatsschatz wurde dort aufbewahrt. Dieses Haus war für die
Nürnberger ein Identifikationsbau – besonders provokant wurde der Neubau an der
gleichen Stelle empfunden, in dem die Bayerische Hauptwache, also bayerische
Soldaten, untergebracht wurde. Auch Kupferdachrinnen wurden von den Kirchen
abmontiert, was dazu führte, dass es in die Kirchen hineinregnete und dort
Schäden anrichtete. Insgesamt kann man sagen, dass es zu einer Verschleuderung
reichsstädtischer Kunst kam!
1809
standen österreichische Truppen vor Nürnberg. Die Nürnberger hofften auf
Unterstützung und setzten daraufhin ungeliebte Bayern, wie Wurm fest. Die
Unterstützung blieb aber aus – die Österreicher ließen Nürnberg links liegen. Im
gleichen Jahr werden der Pegnitzkreis (Sitz Nürnberg) und der Regnitzkreis (Sitz
Ansbach) zusammengelegt. Ob diesen Unruhen zu verdanken ist, dass in Ansbach die
Rechtsaufsichtsbehörde residiert, ist nicht unwahrscheinlich.
Der letzte Abschnitt
der Ausstellung befasst sich mit der Zeit von 1818 – 1835. Das neue
Königreich gab sich 1818 eine Verfassung, die vorbildlich war und als modern
bezeichnet werden kann. Dem Gemeindeedikt von 1818 verdankt Nürnberg auch
kommunale Hoheitsrechte, obwohl es bei der Münchner Staatskuratel blieb. Die
Selbstverwaltungsrechte führten zu einem verstärkten Engagement der Nürnberger
Bürger. Es kam zu einer Zwei-Gremien-Verfassung. Das Kollegium der
Gemeindebevollmächtigten wählt den Magistrat. Dieser besteht aus dem Ersten und
Zweiten Bürgermeister, den rechtskundigen Magistraten (hauptamtlich, entlohnt)
und Bürgermagistraten, den ehrenamtlichen Magistraten.
Ein
Höhepunkt der Ausstellung – auch in optischer Sicht - ist der erste
Rechenschaftsbericht, der Finanzbericht der Gemeindebevollmächtigten. Er ist
prachtvoll ausgestattet – der junge Heideloff hat sich hier verewigt und zeigt
den Stolz der aufstrebenden Stadt. Erster Höhepunkt in der industriellen
Entwicklung der Stadt bildet die Fahrt der ersten deutschen Eisenbahn im Jahre
1835. Ein erhaltenes Foto – übrigens das einzige, was noch vorhanden ist – wird
in der Ausstellung ebenfalls gezeigt.
1821 wurde die erste Sparkasse gegründet, eine polytechnische Schule wurde
eingerichtet. Nürnbergs Bürger besannen sich auf ihren handwerklichen Fleiß, ihr
Geschick und ihre Handelstätigkeit. Nürnberg wird wieder zu einer Metropole des
deutschen Reiches, sogar Europas. Der Zollverein -1834 eingerichtet –
manifestiert dies.
Mit
diesem glücklichen Aufstieg der Stadt in eine neue Epoche – nämlich der
Industrialisierung – beschloss der Archivdirektor seine Ausführungen. Herr
Köhler bedankte sich im Namen der anwesenden Mögeldorfer. Es bestand noch
Gelegenheit Fragen zu stellen und die Ausstellung nochmals in allen Einzelheiten
anzusehen.
Abschließend sei bemerkt, dass man diese Ausstellung jedem
geschichtsinteressierten Bürger empfehlen kann, natürlich auch der überaus gut
gestaltete Katalog ist überaus lesenswert.
Ute Köhler
|