100 Jahre Straßenbahn nach Mögeldorf



Die Straßenbahn nach Mögeldorf ist schon etwas Besonderes, nicht so sehr für die Mögeldorfer, sondern für die übrigen Nürnberger und da wieder speziell für die Schulkinder. Die Straßenbahn gehört eben zum Tiergartenbesuch mit der Schulklasse und wenn man schon fast am Ziel ist, fährt die Bahn doch glatt mit Schwung in den Wald, als ob es noch wer weiß wo hinginge. Es gab noch eine zweite Attraktion. Leider ist die dank der modernen Züge sozusagen auf der Strecke geblieben. Die Schulkinder früherer Zeiten erinnern sich noch an das „Huppala“. Nachdem die Straßenbahn die Steigung von 4,85% am Tullnauberg geschafft hatte, wartete man gespannt auf die Senkung vor der Marthastraße. Mit etwas Glück bekam man dann ein kurzes Kribbeln im Bauch wie bei der Achterbahn auf dem Volksfest. Abgesehen von Waldfahrt und Huppel, den Mögeldorfern ist ihre Straßenbahn ans Herz gewachsen.

 

Am 4. Juli 1914 fuhr die erste Straßenbahn nach Mögeldorf. Und heute noch ist sie trotz eigenen Autos und S-Bahn für die Mögeldorfer nicht wegzudenken. Wie viel mehr wert aber war sie den Mögeldorfern vor 100 Jahren. Es gab zwar schon lange eine Bahnverbindung nach Nürnberg. Die Ostbahn fuhr bereits seit 1859 über Mögeldorf. Für die industrielle und wirtschaftliche Entwicklung des damals recht armen Mögeldorfs war das höchst bedeutsam.

 

Doch bereits 1896 führte die Aktiengesellschaft Nürnberg-Fürther-Straßenbahn Verhandlungen mit dem Stadtmagistrat wegen einer Straßenbahnlinie vom Zentralbahnhof über die Tullnau nach Mögeldorf. Sogar an eine Weiterführung zum Schmausenbuck war gedacht. Es gab zwar noch nicht den Tiergarten, aber das dortige Gelände besaß mit romantischen Spazierwegen, dem Turm und einer beliebten Gastwirtschaft einen hohen Freizeitwert für die Nürnberger.

 

Als Mögeldorf 1899 nach Nürnberg eingemeindet wurde, verlangten die neuen Bürger immer heftiger nach einer Straßenbahn. Der im Jahr 1900 gegründete Vorortverein bemühte sich von Anfang an und immer wieder um den Anschluss an das Straßenbahnnetz. Außer der dann zuletzt gewählten Route wurde auch eine Verbindung zum damaligen Straßenbahnendpunkt am Thumenberger Weg oder über Wöhrd erwogen.

 

Seit 1881 wurde der Stadtverkehr von der privaten Aktiengesellschaft Nürnberg-Fürther Straßenbahn betrieben. Als diese 1903 von der Stadt übernommen wurde, hoffte man in Mögeldorf auf eine baldige Anbindung zur Innenstadt. Die Stadt hielt aber die Verbindung anderer Stadtteile für dringlicher. Erst 1911 wurde die Straßenbahn nach Mögeldorf an die zweite Stelle der Vorhaben gesetzt. (Gibitzenhof war erstrangig). Im Vergleich zu anderen Städten nutzten die Nürnberger die Straßenbahn bisher recht gering. Im Jahr 1910 kamen auf einen Einwohner im Schnitt nur 92 Fahrten. In Stuttgart benutzte dagegen jeder Bürger die Straßenbahn 127 Mal pro Jahr, in Frankfurt sogar 227 Mal. Straßenbahndirektor Scholtes schrieb das der ungünstigen Linienführung und der geringen Netzdichte in Nürnberg zu: „Einer großen Zahl der Einwohnerschaft ist die Benützung der Straßenbahn nicht möglich, da möglicherweise die Wege zu Straßenbahn und von ihr her größer sind als die Fahrten auf der Straßenbahn selbst.“

 

Mit der Einbeziehung Mögeldorfs erhoffte die Stadt Nürnberg eine günstige Entwicklung der Straßenbahnnutzung. Die etwa 4500 Einwohner Mögeldorfs hatten relativ kurze Wege zu der geplanten Bahn, dazu rechnete man auch mit dem Ausflugsverkehr aus der Stadt. In einer Versammlung des Vorstadtvereins 1910 hielt Magistratsrat Friedrich einen Vortrag die Straßenbahn betreffend, in dem er diese Straßenbahnlinie als lebenswichtig für den neuen Stadtteil bezeichnete. Er ermahnte die Mögeldorfer, der Stadt entgegenzukommen und unbedingt den benötigten Grund abzutreten. Eine Kommission mit Herren aus dem Vorortverein sollte mit den Grundstücksbesitzern in Verbindung treten. Für den Verlauf durch die Ostendstraße, Mögeldorfer Hauptstraße und Schmausenbuckstraße trat eine große Zahl von Hausbesitzern unentgeltlich Grund ab. Im Gegenzug hatten diese dann für die Klinkerung der Gehwege nur die Hälfte der Kosten zu tragen. Außerdem war die Stadt bereit, die erforderliche neue Einzäunung zu bezahlen. Wie aus dem Brief eines Bäckermeisters hervorgeht, zeigte sich der „Verehrliche Stadtmagistrat“ sehr zögerlich und pingelig bei der Bezahlung der vereinbarten Summe.

 

Die Linie 17 fährt nur wenige Monate.Im Oktober 1913 hatten die Bauarbeiten begonnen. Bis zum Marientunnel führte bereits eine Linie von der Marienstraße und eine durch die Bahnhofsstraße. Die letztere wurde über die Tullnau nach Mögeldorf weitergeführt. Durch die neu angelegte Kinkelstraße liefen die Gleise bis zur Bahnüberführung und in einer Schleife über die Schmausenbuckstraße und Mögeldorfer Hauptstraße zurück. Am 14. Juli 1914 fuhr die neugeschaffene Linie 17 von Muggenhof nach Mögeldorf. Das war ein großer Tag für die Mögeldorfer und für den Vorstadtverein ein Anlass, die Straßen festlich zu beflaggen. Die Straßenbahn fuhr in den Hauptverkehrszeiten alle 10 Minuten und für den Einheitstarif von 10 Pfennig war das gesamte Straßenbahnnetz zu benutzen.

 

Die Begeisterung der Mögeldorfer wurde allerdings schon nach wenigen Wochen durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gedämpft. Der 10-Minuten-Takt wurde verlängert und die Linie 17 im November 1914 eingezogen. Die Linie 8, die vom Südfriedhof kam, wurde die neue Hauslinie. Im Ersten Weltkrieg war die Straßenbahn das Rückgrat im innerstädtischen Verkehr, da weder Kraftfahrzeuge (781 vor dem Krieg), noch Pferdefuhrwerke, noch Fahrräder, noch Leder für Schuhe in ausreichendem Maße für die Zivilbevölkerung zur Verfügung standen. Die Straßenbahn litt jedoch auch am Mangel an Werkstoffen und Ersatzteilen und am Personal. Seit 1915 wurden Schaffnerinnen eingesetzt, ab 1917 gab es auch Führerinnen. Nach Kriegsende wurde die wirtschaftliche Lage noch schlechter. Die Straßenbahn verkehrte nur noch in großen Abständen. 1923 erwog man sogar die Einstellung des gesamten Straßenbahnbetriebs. Als es dann wirtschaftlich etwas besser ging, gab es ab 1925 wieder 10-Minuten-Betrieb und als Verstärkung die Linie 17.

 

1940: Triebwagen der Linie 8.Der Zweite Weltkrieg stand vor der Tür, als Mögeldorf einen neuen Straßenbahnabschnitt erhielt. Wegen der Reichsparteitagsbauten am Dutzendteich wurde der Tiergarten an den Schmausenbuck verlegt. Das war der Anlass zur Verlängerung der Straßenbahnstrecke. Am 5. Mai 1939 fuhr die erste Straßenbahn zum neuen Tiergarten. Der Kriegsausbruch brachte aber bald erhebliche Verkehrseinschränkungen. Seit den Luftangriffen 1943 wurde der Straßenbahnbetrieb zeitweise durch Omnibusse ersetzt. Nach dem großen Luftangriff vom 2. Januar 1945 war die Straßenbahn in ganz Nürnberg praktisch am Ende. Zuletzt gab es nur noch die Verbindung Plärrer- Muggenhof. Über 15 Monate mussten die Mögeldorfer wie die anderen Nürnberger die weiten Wege in und durch die Stadt zu Fuß bewältigen. Erst ab dem 8. April 1946 fuhr wieder die Linie 8 bis Mögeldorf, ab 18. August 1946 auch zum Tiergarten. Ab dem 29. Juni 1947 mussten sich die Mögeldorfer auf eine neue Straßenbahnnummer einstellen. Die Innenstadt wurde wieder befahren und die dort eingesetzte Linie 3 nach Mögeldorf weitergeführt, zeitweilig unterstützt von Linie 12 und 13.

Ab dem 27. September 1987 bekam die Straßenbahn Konkurrenz. Die S-Bahn bringt nun ihre Gäste sehr komfortabel in nur 6 Minuten vom Hauptbahnhof nach Mögeldorf. Doch die Straßenbahn mit vielen Haltestellen und einem engen Takt konnte sich behaupten, allerdings nur mehr einige Jahre als Linie 3. Um Verwechslungen mit der künftigen U 3 zu vermeiden, wurde sie 1996 durch die Linie 5 ersetzt. Eine kleine Veränderung ergab sich im Jahr 2000. Im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Mögeldorfer Plärrers wurde der Schleifenverkehr über Kinkelstraße und Mögeldorfer Hauptstraße aufgegeben. Die Straßenbahn bleibt nun auf der Ostendstraße und biegt am Plärrer direkt in die Schmausenbuckstraße. Hier ist ein sicherer und bequemer Umsteigeplatz zu den Buslinien entstanden. Die Mögeldorfer sind gut vernetzt.          


Linie 5: Wechselndes Outfit 

Letzte Änderung: 22.07.2016 Seitenanfang