Kultur in Nürnberg
Vortrag von Frau Prof. Dr. Julia Lehner beim Bürger- und Geschichtsverein Mögeldorf e. V. anlässlich der Jahreshauptversammlung am 10. April 2014

 

Die Vorfreude im Casino des Seeparks Nürnberg auf diesen Vortrag war groß. Es hatten sich viele Interessierte zusammengefunden, um der Nürnberger Kulturreferentin zuzuhören.

 

Den schönen Rahmen stellt – wie schon oft – Frau Görke zur Verfügung. Und dies betont auch der Vorsitzende des Bürger- und Geschichtsvereins, Herr Köhler, in seinen einleitenden Worten. Nachdem er alle Anwesenden herzlich begrüßt, bedankte er sich bei Frau Görke für die stets freundliche Aufnahme im Hause „Seepark“ mit einem kleinen Blumengruß. Anschließend stellte er kurz die Referentin des heutigen Abends vor, was bei den vielen Medienauftritten der Nürnberger Kulturreferentin sehr knapp ausfallen kann. Frau Prof. Lehner ist bereits seit zwölf Jahren für die Kultur der Stadt zuständig und wurde erst kürzlich für weitere sechs Jahre im Amt bestätigt.

 

Gleich zu Beginn ihres Vortrages wird deutlich, mit welchem Engagement und mit welchem Elan die Referentin ihre Aufgaben angeht: „Für mich sind Hobby und Beruf eins!“ Dies ist der Auftakt zu einem Überblick des bunten kulturellen Lebens, das die Stadt Nürnberg aufzeigt. Der Blick nach München, der von manchem Bürger immer wieder einmal fast schon neidvoll fällt, ist ihrer Ansicht nach unbegründet. Man muss wissen, dass 80 Prozent der Kulturausgaben vom Freistaat finanziert werden. Kulturarbeit in Nürnberg setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen:

 

  Traditionelle Kulturarbeit (z. a. Archiv, Theater und Museen)

  Niederschwellige Kulturangebote

  Experimentelle Kulturarbeit

 

Museen sind für die Stadt ein wichtiger Faktor, erfassen sie doch gleich einem roten Faden die Stadtgeschichte: Frau Prof. Lehner geht auf das Fembohaus, das die Stadtgeschichte repräsentiert, das Albrecht-Dürer-Haus – das den größten Künstler der Stadt darstellt, aber auch auf das Industriemuseum und das Reichsparteitagsgelände mit Dokumentationszentrum ein. Sie tragen zur Erklärung der Stadtgeschichte bei. Der Begriff „Soziokultur“, der in diesem Zusammenhang erwähnt wird, basiert auf den vormaligen Kulturreferenten Herrmann Glaser, der auch die Gründung von Kulturläden initiierte. Heute – so Frau Prof. Lehner – ähneln diese Treffpunkte eher dörflichen Gasthäusern, wo man sich in geselliger Runde trifft, spricht, gemeinsam etwas unternimmt.

 

Um noch genauer zu erläutern, wie nun diese Kulturarbeit in Nürnberg statt findet, geht die Referentin auf die Struktur des Kulturreferates ein. Ihr war es bei Amtsübernahme immer wichtig, dass sie selbst gestalterisch wirken, dass sich ihr Freiräume erschließen, die sie mit Projekten füllen kann. So laufen die fünf wichtigen Koordninationsteile bei ihr zusammen: Dienststellen, Verwaltung, Projektmanager, Projektbüro, Sekretariat. Die Frage, die sich Frau Prof. Lehner stellt, ist: Wie kann man Menschen Zugang zu Kultur verschaffen, ohne Schwellenangst, dass dieser Zugang für alle Menschen selbstverständlich wird? Welche Methodik gibt es, um den Menschen im Großen zu erreichen? Das Motto soll sein: Du bist Kulturmensch, ganz unabhängig von Herkunft und Schulbildung. Eine Aktion hat dies erreicht: Die Blaue Nacht. Alljährlich im Mai stattfindend, öffnen sich alle Museen. Es ist aber mehr als das, was manche andere Städte unter „Nacht der Museen“ begreifen – es ist eine Kulturnacht. Seit dem Jahre 2000, als das Stadtjubiliäum mit unterschiedlichen Aktionen gefeiert wurde, hat sich die Blaue Nacht in der Nürnberger Kulturszene etabliert. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt – so die Kulturreferentin – dass alle Kulturinstitutionen aufgeschlossen werden (diese könne in München wegen der weiten Strecken schon so nicht geschehen!), und dass eine Open-Air-Aktion von diversen Künstlern ist, die teilweise aus ganz Europa kommen. Was viele Nürnberger Bürger nämlich nicht wissen: Die Blaue Nacht wird für viele Künstler zur Startrampe für eine mögliche Karriere genutzt. Viele Künstler bewerben sich im Vorfeld und präsentieren ihre Installationen und Ideen, die sie in der Blauen Nacht aufführen wollen. Sog. „Design-Scouts“ betrachten diese Inszenierungen in der Blauen Nacht und gehen auf die Künstler zu, um sie für weitere Aufträge zu gewinnen. Dieser „Nebeneffekt“ verleiht der Blauen Nacht weitere Attraktivität. 150.000 Menschen aus inzwischen ganz Europa besuchen jährlich die Blaue Nacht – sie ist zu einem Event geworden. Das steigert nicht nur den Bekanntheitsgrad der Stadt in Europa, sondern bringt auch der Nürnberger Wirtschaft (Hotellerie und Gastronomie) höhere Umsätze. Die Kosten betragen ca. 300.00 Euro, 80 % der Kosten werden von Sponsoren aufgebracht, die aber zunehmend auch den Nutzen für die Infrastruktur erkennen. Wie viel Aufmerksamkeit diese Kulturnacht bundesweit schon erzielt hat, macht die Referentin deutlich, indem sie das neue Titelbild der Illustrierten „DIE BUNTE“ hochhält, das als Aufmacher die Blaue Nacht in Nürnberg hat.

 

Der Effekt, dass in dieser Kulturnacht wirklich alle – Alt und Jung, Nürnberger und Touristen, Kulturbeflissene oder einfach Neugierige, unterwegs sind, zeigt sich in ähnlicher Form bei den Open-Air-Konzerten, die seit Jahren im Sommer auf dem Gelände des Luitpoldhains stattfinden. Hier sind wiederum „alle“ da – es wird gemeinsam gefeiert und klassische Musik gehört. Letzteres mag manche Bürger immer wieder überraschen, denn es sind auch viele junge Leute anwesend, denen man eher unterstellen möchte, dass sie die Klassik meiden. Ca. 120.000 Besucherinnen und Besucher sind jährlich da und begeistert – ein geschichtlich vorbelasteter Ort, genutzt als Aufmarschgelände bei den nationalsozialistischen Reichsparteitagen, wird zu einer großen Feier, die manche sogar mit Kerzenleuchtern und schön gedeckter Tafel zelebrieren. Die Kulturreferentin beschreibt ihre Gefühle, wenn sie von der Bühne oben auf die unzähligen Menschen blickt, aber auch zum Abschluss, wenn sie das leere Areal betrachtet, das frei von jedem Müll oder Überresten der Feier ist. Als Vergleich nennt sie „Rock im Park“, nach dem Ende dieser Veranstaltung muss erst einmal der Müll entsorgt werden.

 

Hier spricht die Referentin auch über die anstehende Diskussion über den Bau eines neuen Konzertsaales. Neben der Frage nach dem Standort wird auch immer wieder die Frage gestellt: Für wen? Nun sieht man die Konzerte, die in der Meistersingerhalle abgehalten werden, sieht es fast so aus, als würden sich dort nur Senioren treffen. Das Beispiel des Open-Air-Konzertes würde –so die Referentin – etwas anderes aufzeigen. Sie stellt fest, dass eine Örtlichkeit für den Neubau einer Konzerthalle noch nicht festgelegt wurde, dass aber auch ein Zusammenhang zwischen den dringend erforderlichen Renovierungsmaßnahmen des Opernhauses und einer Ausweichstätte während dieser Arbeiten besteht. Nürnberg hat ein Vierspartenhaus, das durch die Übernahme eines Teils der Kosten, den Titel Staatsschauspiel usw. erhalten habe. Die Referentin beschreibt kurz den Prozess vom Städtischen Opernhaus zur Staatsoper usw. Diese Anerkennung der kulturellen Bedeutung des Vierspartenhauses durch die bayerische Staatsregierung seinerseits zeige sich heute durch die bereits getroffenen Maßnahmen des bayerischen Finanzministers Markus Söder. So wurde u a. die Burg neu konzipiert, um Nürnbergs Geschichte vollständig aufzuzeigen. Dazu zählt auch der Rathaussaal. Hier geht schon lange um die Diskussion, ob er wieder – wie in Ursprungszeiten – ausgemalt werden soll oder nicht. Im terminlichen Zusammenhang mit der anstehenden Europawahl im Mai haben die Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheides hier das Wort. Diese Diskussion, die von der Kulturreferentin durch eine Projektion alter Malereien an die Wand des Rathaussaales initiiert wurde, stellt sie in weiterem Zusammenhang. Es geht ihr auch immer um eine breit geführte Diskussion, an denen sich möglichst viele Nürnberger beteiligen. Im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006, die in Deutschland, aber auch im Nürnberger Stadion statt fand, veranstaltete das Germanische Nationalmuseum eine Ausstellung mit dem Titel „Was ist deutsch?“. Durch die Ausstellung führten u. a. junge Migranten aus der Südstadt, die sog. „Südstadtkids“, die in einer freiwilligen Teilnahme Besuchern in der Ausstellung zeigten, was für sie typisch deutsch ist. Für Frau Dr. Lehner ein Mittel, wie sich Migranten in die Stadt einbringen, sich integrieren und so für sozialen Frieden innerhalb der Stadtgemeinschaft tätig werden. In die gleiche Richtung zielen die alljährlich statt findenden „Stadtverführungen“. Die Konzeption sieht „Kultur von Bürgern für Bürger“ vor. Jeder Bürger kann hier zum „Kulturschaffenden“ werden, indem er z. B. seinen Ortsteil, sein Handwerk vorstellt. Ein weiterer Schwerpunkt für die Kulturarbeit in Nürnberg ist der Aspekt, dass das Image der Stadt – und zwar ein positives Image – nach außen getragen wird. Als Mediengesicht, als Botschafter eignet sich keiner besser als der Künstler Albrecht Dürer. Man kann mit diesem prominenten Nürnberger auf drei Ebenen werben

  • 1. Dürer an die Menschen heranbringen - und zwar zeitgenössisch aufbereitet., was manchem Nürnberger auch als Provokation aufstößt: So z. B. der mit einer Stuhlkonstruktion eingebaute Schöne Brunnen im Jahr der Fußballweltmeisterschaft 2006 oder die abertausend grünen Hasen, die der Künstler Prof. Hörl auf den Hauptmarkt stellte.

  • 2. Profunde Informationen über Albrecht Dürer mittels groß angelegter Aktionen, z. B. mittels eines Puzzles (die schöne Venezianerin von Dürer) zunächst auf dem Sebalder Platz, dann aber auch als Idee nach Russland – Platz vor dem Kreml oder nach China, demnächst vielleicht sogar in Atlanta vorgestellt.

  • 3. Nürnberg als Treffpunkt der Dürerforschung. Wissenschaftliche Foren mit Vorträgen von Dürer-Spezialisten aus ganz Europa – dementsprechende Aufbereitung in Ausstellungen und Veröffentlichungen.

Alles dies fördert den Bekanntheitsgrad der Stadt: 2012 – im „Jahr der Kunst“ – waren innerhalb der ersten sieben Monate bereits 900.000 Gäste zu verzeichnen. Überhaupt: Jedes Jahr bekommt ein kulturelles Motto. 2013 war es das Jubiliäm um Richard Wagner, der u. a. mit einem Festzelt und kulturellen Events im Stadtpark gewürdigt wurde.

 

Das Jahr 2014 hat gleich mehrere Veranstaltungshöhepunkte: Es jährt sich zum hundertsten Male der Beginn des Ersten Weltkrieges. Hierzu gibt es verschiedene Veranstaltungen, in Form von Lesungen, Vorträgen usw. Ein weiterer kultureller Höhepunkt wird dieses Jahr in de Ausrichtung der „Criminale“ zu sehen sein. Fünf Tage lang im Mai wird Nürnberg zur Hochburg des Krimis. So bedeutende Schriftsteller wie Ingrid Noll und Frank Schätzing werden Nürnberg besuchen und letzterer wird die Preisverleihung vornehmen. Die Leseorte sind ebenfalls sehr interessant –so wird je Sujet des Krimis in einem Tresorraum des Heimatmuseums gelesen, oder in Kirchen etc.

Natürlich gäbe es noch sehr viel mehr zu erwähnen – die Referentin beendet hier nun aber ihre „Tour culturelle“ durch Nürnberg, um den Anwesenden noch die Gelegenheit zu geben, Fragen zu stellen bzw. Anregungen vorzutragen. Ein Bürger wünscht sich eine breitere mediale Veröffentlichung im Bereich wissenschaftlicher Vorträge. Danach ergreift Frau Kunad das Wort und weist noch auf die Bedeutung des Kindertheaters in Nürnberg hin, das in dieser Hinsicht eine Hochburg sei. Ob es um das Theater „Pfütze“ oder „Mummpitz“ gehe, alle sehen republikweit sehr geachtet. Ansonsten geben die Anwesenden ihrer Freude mit einem großen Applaus für die Referentin Ausdruck. Herr Köhler verabschiedet seine Referentenkollegin mit herzlichem Dank für die überaus interessanten und vielseitigen Einblicke in Nürnbergs Kulturleben und überreicht ihr als Zeichen dieser Hochachtung einen Frühlingsstrauß.

Letzte Änderung: 22.07.2016 Seitenanfang