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Parzival, Jeans und Kellerbier


Parzival, Jeans und Kellerbier ? Einen Sachzusammenhang können wohl nur die Teilnehmer der Fahrt zur Landesaustellung 2004 herstellen, die uns unter dem Titel „Edel und Frei- Franken im Mittelalter„ nach Forchheim einlud. 45Mitglieder des Bürger- und Geschichtsvereins fuhren am letzten Septembersamstag mit in das nahe oberfränkische Städtchen, um sich auf die Spuren unserer fränkischen Vorfahren zu begeben.

Es ist im gantzen Teutschland kein Provintz oder Landsart, denn allein das Land zu Francken, welches Edel und Frey genannt wird„, schreibt Matthäus Merian in seiner 1648 erschienenen „Topographia Franconiae„. Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug darauf und erinnert mit „Edel und Frei„ zugleich an den bekannten Ausspruch „Frank und Frei„. „Mutig, frech, ungestüm, kühn„, aber auch „frei„, so werden die einst am Rhein ansässigen Stämme beschrieben, die im 5. Jahrhundert in das Gebiet des heutigen Franken einwanderten. Aus dem Zusammenleben mit anderen germanischen Stämmen manifestierte sich im Lauf der Jahrhunderte ein Gebiet, das später nach diesen Einwanderern benannt wurde. Erst 1500 gelang mit dem Reichskreis Franken eine dauerhafte politische Organisation der Region.

„Edel„ bezieht sich dagegen auf ein besonderes Merkmal der spätmittelalterlichen Geschichte dieser Gegend: Burgen und Herrschaftssitze prägten das äußere Erscheinungsbild der Landschaft; die „Ritterkultur„ als Form adeliger Lebensweise setzte Maßstäbe. Bischöfe, Bürger, Bauern, Herren, Königsland - auf kleinstem Raum gelebte Vielfalt - ein von Königen, Bischöfen und Adligen umkämpfter Raum mit vielen Zentren, aber ohne zentrale Herrschaft. Im Gegensatz zu der privilegierten Oberschicht lebte der größte Teil der Bevölkerung während des Mittelalters jedoch weder „edel noch frei„. Für sie gehörten rechtliche Abhängigkeit und das Leisten von Diensten und Abgaben zum Alltag.

Was war das also so, dieses Franken im Mittelalter, und wie lebten seine Bewohner?

Mit Hilfe ausgewählter mittelalterlicher Schätze aus ganz Europa gelang dem Haus der Bayerischen Geschichte im „Kaiserpfalz„ genannten Bischofsschloss eine vortreffliche Aufbereitung der Geschichte Frankens zwischen 500 und 1500. Die historische Vielfalt arbeitete die Ausstellung mit zeitlich thematisierten Abteilungen auf, gab einen hervorragenden Überblick über die zentralen Geschehnisse dieser Zeit und stellte individuell gestaltete Themenkreise vor. Neun Abteilungen führten uns in die frühmittelalterlichen fränkischen Gründersiedlungen, in die spannungsreiche Zeit des Hochmittelalters und in die unterschiedlichen Herrschaftsgebiete des Spätmittelalters. Über 300 hochrangige Leihgaben – neuere archäologische Funde, Skulpturen, Goldschmiedekunst und kostbare Beispiele der hoch entwickelten Kunst der Buchmalerei – ließen diese Zeit lebendig werden.

Absolutes Highlight der Ausstellung war jedoch der „Bestseller des Hochmittelalters„, die Handschrift von Wolfram von Eschenbachs „Parzival„. Dieses hochkarätige Exponat wird sonst in der Münchener Staatsbibliothek aufbewahrt und steht normalerweise nicht einmal der wissenschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Spektakulär auch ein Deckelbecher in Form einer phantastischen Turmstadt, der Ende des 15. Jahrhunderts in Nürnberg hergestellt wurde und für die Landesausstellung aus dem Londoner Victoria and Albert Museum entliehen werden konnte.

Die Christianisierung, der Märtyrertod des heiligen Kilian und das von den Würzburger Bischöfen angestrebte Herzogtum Franken waren ebenso Themen wie die zahlreichen Nürnberger Adelsgeschlechter, die die Ordnung Frankens wesentlich mitprägten: Davon zeugen Bildnisse der Patrizierfamilie Steinlinger, Glasgemälde mit dem Wappen der Fernhandelsfamilie Rieter oder des Lorenz I Tucher als höchstem Geistlichen an der Probstei St. Lorenz . Die Familie der Holzschuher war vor allem durch den Tuch- und Gewürzhandel reich geworden: in dem ausgestellten Geschlechterbuch sind die männlichen Mitglieder der Familie mit ihren Ehefrauen abgebildet. Zahlreiche sakrale Gegenstände, Topexponate aus dem Urkundenwesen ( z.B. die Sigena – Urkunde) oder mittelalterliche Blasinstrumente rundeten die Einzigartigkeit dieser gelungenen Präsentation fränkischer Geschichte ab, die eindrucksvoll unter Beweis stellte: „ Franken ist wie ein Zauberschrank; immer neue Schubfächer tun sich auf und zeigen bunte, glänzende Kleinodien...„. Karl Immermann, Fränkische Reise, Herbst 1837

Doch auch von der Gastgeberstadt selbst wollten wir uns natürlich ein Bild machen und unternahmen nach dem Besuch der Ausstellung eine Stadtführung. Erstmals im Jahr 805 urkundlich erwähnt, war Forchheim der Schauplatz zahlreicher Reichs- und Fürstenversammlungen. Das Rathaus aus dem 16. Jahrhundert mit seinem einmaligen Fachwerkensemble, die Marienkapelle und die Kaiserpfalz mit ihren Festungsanlagen markieren das malerische Stadtbild. Die historische Innenstadt Forchheims, geprägt von Bauwerken mit eindrucksvollen Barock- und Fachwerkfassaden, zeugt von der stolzen Vergangenheit der Stadt und dem Charme alter fränkischer Stadtarchitektur. Die schmucke Fußgängerzone mit ihren noch vielen Einzelhandelsgeschäften präsentierte uns eine gelungene Verbindung zwischen Geschichte, Brauchtum und Moderne.

Anschließend ging es nach Buttenheim, wo nach dem Mittagessen der Besuch des Levi-Strauss-Museums auf dem Programm stand. Der Name „Levi´s„ ist heute, fast hundert Jahre nach dem Tod ihres Erfinders Levi Strauss, der Inbegriff für die Jeans schlechthin, keine Marke ist bekannter. Das Museum entführt uns in die Welt von Indigo und Denim und erzählt die Geschichte von Levi, seinem Leben und der Jeans.

1829 in Buttenheim geboren, wanderte Levi Strauss im Alter von 18 Jahren nach Amerika aus und gründete in San Francisco ein Handelshaus für Stoffe und Kurzwaren. Mit der Patentanmeldung für vernietete Arbeitshosen war die Jeans geboren. Der Unternehmer kam durch die Produktion der blauen „Baumwollhosen„ zu Wohlstand, sein Name wurde durch sein Produkt weltberühmt. Bis in die 80er Jahre hatten die Buttenheimer selbst keine Ahnung, dass der Urvater der Jeans ein Sohn ihrer Gemeinde war. Erst als man 1984 aus USA um Informationen über den Heimatort des Jeans-Erfinders bat, bestätigten Nachforschungen im Bamberger Stadtarchiv die Herkunft Levis. Im früheren Wohnhaus der Familie Strauss begleitet mittels Audio-guide „Levi Strauss selbst„ durch das Haus und erzählt zahlreiche Details über seine familiäre Herkunft, seine Auswanderung in die Staaten und die Jahre des Aufbaus. Daneben stehen natürlich auch der Stoff, aus dem die Jeans sind, und die Erfolgsgeschichte der berühmten Hose im Mittelpunkt.

Nach so viel Kultur und Geschichte pur machten wir uns auf zum Forchheimer Kellerwald, wo auch das jährliche Annafest stattfindet. Doch noch mussten Bier und Brotzeit warten, denn eine Führung durch den Kellerwald mit seinen 28 in „untere„ und „obere„ Keller aufgeteilten historischen Felsenkellern und Schänken brachte uns Einblicke in die Geheimnisse der „fränkischen Bierkultur„.

Der Kellerberg wird von einem weitverzweigten, tief in den Sandstein hinein führenden Kellersystem durchzogen. Bereits in früheren Jahrhunderten dienten die Kellergänge und -stollen der Lagerung von Getränken und Lebensmitteln. Neben Wein, Bier und sonstigen „Flüssigstoffen„ dürften insbesondere Obst und Gemüse sowie Fleisch eingelagert worden sein. Die konstante Temperatur von sechs bis zehn Grad Celsius erwies sich auch für die Einlagerung von Bier als sehr günstig. Nach der Produktion in den früheren Kommunbrauhäusern wurde das Bier von Buttenträgern zuerst in häusliche Keller gebracht, um dort die Gärung hinter sich zu bringen. Anschließend wurde es in Fässer gefüllt und mittels Kuh- oder Pferdefuhrwerken „auf die Keller„ zur Nachgärung und Reife gefahren. Im Jahre 1722 gab es bereits 42 Kellerinhaber. Durch moderne Brautechniken und die Entstehung privater Brauhäuser verloren die Felsenkeller als „Bierlager„ langsam an Bedeutung. Dafür gewannen sie als Bierschankstätten an Ansehen. Dieses konnten wir nur bestätigen: denn nach einem Felsenkellerbesuch ließen wir uns im „Schindlerkeller„ die wohlverdiente Bierprobe aus verschiedenen Kellerbieren mit der dazu gereichten Brotzeit schmecken. Wen wundert´ s dann, dass der Abfahrtstermin nach Nürnberg zweimal verschoben werden musste und so mancher im Bus ein Nickerchen machte...?

Ulrike Hölldobler-Scäfer | Bilder Ulrich Göpert

Letzte Änderung: 27.06.2019